Eine geschichtliche Betrachtung von Peter Vogel
Gerterode, ein kleiner Ort an der östlichen Grenze des Eichsfeldes, hat, wie all unsere Eichsfelddörfchen, seine besonderen Reize. Es werden wohl nur wenige Eichsfelder sein, die diesesdverträmte Dörfchen im Kreis Worbis schon einmal besucht haben. Bekannt wird aber der Ort vielen sein, ganz besonders den Sportlern und Fußballexperten, die den gefürchteten Boden des Sportplatzes Waldfrieden gut kennen.
Gerterode hat sich nach dem Zusammenbruch des Hitlerfaschismus 1945 zu einem Fußballerdorf des Eichsfeldes entwickelt. Mehrere Jahre kämpfte das erste Team des Sportvereines in der Bezirksklasse. Nachdem die Mannschaft im vorigen Jahr in den sauren Apfel des Abstieges beißen mußte, ließen sie sich in diesem Spieljahr nicht entmutigen und wurden zum fünften Mal seit 1946 Kreismeister der 1. Kreisklasse!
In Gerterode wurde aber nicht erst seit 1945 Sport getrieben. Schon lange Zeit vordem bestanden in dem kleinen Dörfchen Sportgemeinschaften.
Vor dem Machtantritt des braunen Tyrannen im Jahre 1933 gab es im Kreis Worbis, wie er heute mit seinen Grenzen besteht, vier Arbeitersportvereine. Als erster Arbeitersportverein wurde der Radsportverein "Vorwärts" Gerterode gegründet.
Es war im Jahre 1921. Mehrere Genossen der KPD- und der SPD-Ortsgruppe in Gerterode setzten sich zusammen und berieten über die Bildung eines Arbeitersportvereines. Ohne lange zu verhandeln, wurden die Genossen sich auch einig. Im Oktober 1921 war es dann soweit. Die Gründer, Genosse Fritz Becker, Karl Wisotzky, Heinrich Behrens I und II und Alwin Wenzel, riefen die sportbegeisterten Arbeiter und Bauern von Gerterode zur Gründungsversammlung zusammen. Es waren zunächst zirka 35 bis 40 Mitglieder, die dem Verein beitraten.
Schwer hatten es damals unsere Genossen und Sportfreunde der Arbeitervereine, sich ihrem Sport zu widmen. Die Gegner der Arbeiter und Bauern versuchten mit allen Mitteln, die organisierten Arbeitersportvereine aufzulösen.
Auch für den Radsportverein Gerterode war es eine schwere Zeit. Für Saalvorführungen wurden Räder benötigt, und die kosteten viel Geld.
Durch aufopferndes Sparen gelang es dem Verein in den Jahren 1923 und 1925, in Offenbach und Nordhausen 6 Saalmaschinen zu kaufen.
Der Arbeiter-Radsportverein "Vorwärts" Gerterode trat im Jahre 1923 dem großen Bund der Arbeiter-Sportvereine "Solidarität" bei. Zu dieser Zeit wurde von den bürgerlichen Einwohnern und den reichen Bauernsöhnen der Gemeinde ebenfalls ein Radsportverein gegründet. Sie versuchten, ihren Gemeinderivalen auszustechen. Die Vereinsmitglieder von "Vorwärts", unterstützt durch die Arbeiter und Kleinbauern des Ortes, blieben jedoch Sieger.
Ein Höhepunkt im Leben des Arbeiter-Radsportvereins Gerterode war die Bannerweihe 1923. Die Einwohner feierten ein wirkliches Volksfest mit ihren Sportlern am Tag der Weihe. Hier wurden die großen Leistungen der Sportler von Gerterode zum ersten Mal der Oeffentlichkeit bekannt.
Im Gegensatz zu dem bürgerlichen Verein - sie fuhren Reklamerennen für kapitalistische Fahrrad-Firmen - wurde vom Arbeiter-Sportverein das Saal- und Kunstfahren gepflegt. Regelmäßig nahmen alle Mitglieder an den Trainingsstunden der Leichtathletik teil.
In zahlreichen Städten und Dörfern der Kreise Worbis, Nordhausen, Mühlhausen und Sangerhausen zeigten die Radsportler vom "Vorwärts" Gerterode ihr Können. Ueberall, wo sie auftauchten, wurden sie stürmisch gefeiert und ihre Leistungen fanden große Anerkennung. Mit dem Arbeiter-Radsportverein Menteroda - die Gerteröder Sportler weilten oft dort - wurde ein enges Freundschaftsband geknüpft, viele Schwierigkeiten mit den Vereinskameraden Menterode gemeinsam gelöst.
Durch die beginnende Wühlarbeit des Faschismus im Jahre 1927 wurde der Arbeitersportverein "Vorwärts" immer mehr unterdrückt. Der Ortsnaziführer, Förster Rabold, und der damalige Pächter der Domaäne, NSDAP'ler Dietzel, forderten von den Leitungsmitgliedern des Vereines "Vorwärts" die Auflösung ihres Vereines. Doch, den Machtpositionskampf innerhalb des Ortes zwischen diesen beiden Nazikampfhähnen, Rabold und Dietzel, geschickt ausnutzend, konnten die Sportler ihre Arbeit bis 1933 ungestört fortsetzen.
Nach der Machtübernahme der braunen Pest mußte der Arbeiter-Radsportverein Gerterode dennoch aufgelöst werden. Den Nazis gelang es jedoch nicht, die Saalmaschinen und das Banner zu beschlagnahmen. Fritz Becker, Richard Schäfer, August Schäfer und Heinrich Behrens hatten die Maschinen in ihren Wohnungen gut versteckt. Als Frau Jana Waldmann, in deren Wohnung sich das Banner befand, eines Tages die braunen Schnüffler auf ihr Haus zukommen sah, lief sie schnell auf den Boden und wickelte das Banner um ihren Leib. Nach mehrstündiger Durchsuchung des Hauses mußten die wild gewordenen Hyänen ohne ersehnte Beute abziehen.
Im verbrecherischen zweiten Weltkrieg wurden die besten Mitglieder des Vereins hinweggerafft. Allein vom Arbeiter-Sportverein Gerterode fielen 24 blühende Arbeiter- und Bauernsöhne, Mitglieder der Arbeitersportvereine, dem Moloch Krieg zum Opfer.
Erst vier Jahre nach der siegreichen Zerschlagung des Hitlerfaschismus begannen die Sportfreunde von Gerterode wieder ihren Radsport. Die Saalmaschinen und das Banner wurden wohlbehalten aus den Verstecken herausgeholt. Genosse Alwin Wenzel, ehemaliges Mitglied des Arbeitersportvereins Gerterode, Mitglied der KPD seit 1920, übernahm die Leitung der Sparte "Radfahren" der damaligen Sportgemeinschaft Gerterode. Schon nach einem Jahr Training konnte die Gruppe mit zwei Männermannschaften und einer Frauenmannschaft ihr Können im Saalkunstfahren vorführen.
1954 wurde die Sparte "Radfahren" der BSG Gerterode Kreismeister des Kreises Worbis. Diesen Titel verteidigen die Sportfreunde bis zum heutigen Tag erfolgreich.
Diese stolzen Traditionen verpflichten! Mit dem Sieg in den diesjährigen Punktspielen und der erfolgreichen Verteidigung des Kreismeistertitels im Kunstradfahren haben die Sportfreunde der BSG Traktor Gerterode als Mitglieder der demokratischen Sportbewegung bewiesen, daß sie sich dessn voll bewußt sind.
Sie werden auch in Zukunft auf ihren Erfolgen nicht ausruhen, sondern alle Anstrengungen machen, auf diesen Traditionen aufbauend, noch mehr zu erreichen für unsere Sportbewegung, für unsere Republik.
Quelle: Eichsfelder Heimatbote, 20.10.1957